Projektbeschreibung

Grafik: T. Ibsen 
Arbeits- und Referenzgebiet des Projekts mit Hinweis auf die heute bekannten Aufbewahrungsorte der archäologischen Funde und Archivalien aus dem ehemaligen Prussia-Museum in Königsberg, Ostpreußen. © Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, Schleswig. Grafik: T. Ibsen, Schleswig.

Das reziproke Wortpaar „Forschungskontinuität und Kontinuitätsforschung“ im Projekttitel umreißt die wesentlichen Chancen und Schwierigkeiten der Geschichte der Archäologie in den äußerst fundreichen Landschaften an der südlichen Ostsee-küste. Diese ist ebenso traditionsreich wie problembehaftet und für die Entwicklung des nördlichen und östlichen Europas bedeutsam. Dies gilt insbesondere für das ehemalige Ostpreußen, d.i. das heutige Kaliningrader Gebiet Russlands, das nördliche Polen und das südwestliche Litauen.

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Archivalien aus dem ehemaligen Prussia-Museum in Königsberg, Ostpreußen, im Zustand der Wiederauffindung 1990. © Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin – PK. Foto: T. Ibsen, Schleswig.

Einerseits verweist die „Forschungskontinuität“ im Titel auf die reiche, von Forschern mehrerer Länder über eineinhalb Jahrhunderte zusammengetragene Quellenbasis. Deren zentrales Element, die ehemalige Königsberger Prussia-Sammlung und regionale kleinere vorkriegszeitliche Bestände, schien durch die Kriegsereignisse und die späteren politischen Umstände lange Zeit verloren. Doch zu Beginn der 1990er Jahre wurden große Teile der Sammlungen wiederentdeckt. Seither wurden sie in jahrelanger, mühevoller Kleinarbeit soweit geordnet und aufbereitet, dass sie der Wissenschaft als Quellen wieder zur Verfügung stehen. Gerade diese Archivalien und Fundobjekte symbolisieren die durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochene lange Forschungskontinuität, die im Rahmen des Projektes in internationaler Zusammenarbeit wiederhergestellt und weitergeführt wird.

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Ansicht des mächtigen Burgwalls von Apuolė, Litauen, während einer geophysikalischen Prospektion. © Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, Schleswig. Foto: T. Ibsen, Schleswig.

Andererseits greift der Projekttitel mit der „Kontinuitätsforschung“ das Phänomen der bemerkenswerten Siedlungsstabilität der baltischen Kulturen auf. Sie überdauerten weitestgehend unverändert die großen Migrationsbewegungen der Völkerwanderungszeit, zumindest deuten ihre archäologischen Hinterlassenschaften darauf hin. Zu den markantesten Denkmälern zählen die zahlreichen Burgwälle, die in einem dichten Geflecht von benachbarten, meist noch unerforschten Siedlungen und Gräberfeldern liegen.

Das zentrale Anliegen des Vorhabens ist die umfassende Untersuchung einer äußerst komplexen Siedlungs- und Kulturlandschaft an der südlichen Ostseeküste im ersten nachchristlichen Jahrtausend. Dabei werden alle verfügbaren Archivalien und Funde aus den Altgrabungen ausgewertet. Gleichzeitig werden neue Forschungsergebnisse eingearbeitet und der heute standardmäßig zur Verfügung stehende, interdisziplinäre Methodenkanon ausgeschöpft.

Das gemeinsame kulturelle Erbe der Region wird auf vielfache Weise erschlossen und gesichert. Die Ergebnisse werden in einem Archäologischen Atlas zusammengeführt. Ein Onlineportal dokumentiert darüber hinaus den Quellenbestand in digitaler Form.  Die Resultate einzelner Untersuchungen werden fortlaufend in einer Publikationsreihe zur Kultur- und Besiedlungsgeschichte vorgelegt.

Das Konzept erarbeiteten die Direktoren des „Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie“ in Schleswig, Professor Claus von Carnap-Bornheim, und des „Museums für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz“, Professor Matthias Wemhoff. Die Planungen erfolgten in enger Kooperation mit Fachkolleg*innen aus Polen, Russland, Litauen, Lettland, Estland und Deutschland. Das Gesamtvolumen des Projekts beträgt mehr als 6 Millionen Euro für eine Laufzeit von 18 Jahren, in denen Wissenschaftler*innen, technische Mitarbeiter*innen und Doktorand*innen die Archäologie des Baltikums bzw. Ostpreußens erforschen.

Das Projekt hat am 1. Januar 2012 seine Arbeit aufgenommen.