Kreis Gumbinnen

 

von Christine Reich

Fundorte mit Ortsakten im Kreis Memel. Grafik: S. Kriesch, Berlin. Kartengrundlage: GIS-Abteilung ZBSA Schleswig. 
Fundorte mit Ortsakten im Kreis Gumbinnen. Grafik: S. Kriesch, Berlin. Kartengrundlage: GIS-Abteilung ZBSA Schleswig.

Der Kreis Gumbinnen lag im Osten der ehemaligen Provinz Ostpreußen. Er grenzte im Norden an den Kreis Pillkallen, im Westen an den Kreis Insterburg, im Süden an die früheren Kreise Darkehmen und Goldap sowie im Osten an den Kreis Stallupönen. Das ehemalige Kreisgebiet gehört heute zum russischen Oblast Kaliningrad. Wichtige Flüsse sind die Pissa, die Rominte und die Angerapp. Das Gebiet ist größtenteils durch eine Grundmoränenebene, aber auch durch eine wellige Grund- und Endmoränenlandschaft gekennzeichnet. Der südliche Teil des Kreises liegt auf dem Rücken des uralisch-baltischen Höhenzuges.

Für den Kreis Gumbinnen gibt es Unterlagen zu 61 Fundorten in 63 Aktenbänden. Insgesamt wurden 398 Blatt aus 48 Aktenbänden transkribiert, redaktionell bearbeitet und verschlagwortet. Zwei Fundorte wurden bislang aufgrund ihres Umfangs noch nicht bearbeitet. Von der Transkription ausgenommen wurden 15 Fundorte bzw. Aktenbände, die insgesamt nur 26 Blätter enthalten. Es handelt sich dabei um maschinengeschriebene Dokumente bzw. um einige wenige Blätter, die in lateinischer Schreibschrift verfasst und gut lesbar sind.

Am umfangreichsten sind die Akten zu den beiden Fundorten Gumbinnen mit insgesamt 91 Blatt und Kulligkehmen mit 61 Blatt in jeweils zwei Aktenbänden. Die Akte Gumbinnen enthält – neben der Korrespondenz zu einem neuzeitlichen Münzfund – die Unterlagen zu einer paläolithischen Lanzenspitze, einem der ältesten Funde des Prussia-Museums. Die Dokumente reichen von der ausführlichen Fundmeldung des Kreispflegers Fritz Wieske über pollenanalytische Analysen von Hugo Groß bis hin zu einem Schriftverkehr über die Frage, ob die Lanzenspitze aus Knochen oder aus fossiliertem Holz besteht sowie einer intensiven Diskussion mit Fachkollegen zur Datierung. In der Akte Kulligkehmen finden sich vor allem Fundmeldungen von Fritz Wieske zu Gräberfeldern der Römischen Kaiserzeit bis Völkerwanderungszeit und Siedlungsresten. Aber auch eine Klinge und ein Meißel aus Feuerstein werden angezeigt, bei denen es sich wahrscheinlich um die Beigaben eines jungsteinzeitlichen Körpergrabes handelt.

Die Fundmeldungen, die Fritz Wieske erstellt hat, kommen auch in den anderen Akten des Kreises Gumbinnen häufig vor. Sie stammen vor allem aus dem Zeitraum von 1934 und 1935 und sind alle ähnlich aufgebaut. In der eigentlichen Meldung werden die Fundumstände ausführlich dargelegt. Als Anlagen sind in der Regel eine oder mehrere Zeichnungen, zuweilen auch ein Foto, des und der jeweiligen Fundstücke und eine Kartenskizze mit der Lage des Fundortes angefügt. Neben Einzelfunden wie Geräten aus der Steinzeit oder auch Stücke aus jüngeren Perioden, meldete und untersuchte Fritz Wieske auch Siedlungsbefunde, die sich allerdings zeitlich häufig nicht genauer eingrenzen lassen. Ein solches Beispiel ist eine Herdstelle in Großmixeln, die Wieske im Herbst 1934 freilegte. Zu verschiedenen Schlossbergen im Kreisgebiet sind Briefe und Beschreibungen erhalten, zuweilen auch Grundrisse und Profile der Anlagen sowie Fotografien, so zum Beispiel für den Schlossberg von Judtschen. Auch Wieske fotografiert 1937 verschiedene dieser Burgberge und stellt die Aufnahmen dem Prussia-Museum zur Verfügung.

Im Vergleich zu anderen ostpreußischen Kreisen wurden relativ viele Knochengeräte aus der Altsteinzeit im Kreisgebiet gefunden. Die Jungsteinzeit ist vor allem durch Einzelfunde von Beilen und Äxten vertreten ist. Dagegen fehlen Unterlagen zu Fundstellen der Bronze- und der älteren Eisenzeit. Römische Kaiserzeit, Völkerwanderungszeit, Mittelalter und Neuzeit sind durch Gräberfelder, aber auch durch Siedlungsbefunde belegt.

Zur Vor- und Frühgeschichte des Kreises Gumbinnen gibt es eine zusammenfasssende Darstellung und einen Katalog der Fundstellen von Rudolf Grenz (Die Vor- und Frühgeschichte. In: Stadt und Kreis Gumbinnen. Eine ostpreußische Dokumentation [Marburg/Lahn 1971] S. 57-189). Grenz stützt sich vornehmlich auf ein Manuskript Wieskes aus dem Jahr 1954, das ihm „jedoch leider ohne Abbildungen und zeichnerische Unterlagen und ohne Berücksichtigung der Wehranlagen“ (ebd. S. 177) vorlag. Der Verbleib des originalen Manuskriptes ist unbekannt. Vergleicht man die Zusammenstellung von Rudolf Grenz mit dem heute in Berlin erhaltenen Aktenmaterial, kann man deutliche Lücken erkennen, die durch seine Verlagerungsgeschichte bedingt sind. Dennoch gibt es in den Berliner Archivalien auch Unterlagen zu Fundstellen, die im Verzeichnis von Grenz fehlen.