Kreis Memel
von Christine Reich
Der Kreis Memel war der nördlichste Kreis der ehemaligen Provinz Ostpreußen bzw. des Memelgebietes. Das frühere Kreisgebiet liegt heute im litauischen Bezirk Klaipėda. Der Kreis umfasste den nördlichen Teil der Kurischen Nehrung, der langen schmalen Landzunge, die Haff und Ostsee voneinander trennt, sowie ein Stück Festland nördlich der Memel. Im Süden grenzte der Kreis Memel an den Kreis Heydekrug sowie auf der Kurischen Nehrung an den Kreis Fischhausen.
Für den Kreis Memel gibt es Dokumente zu 34 Fundorten in 44 Aktenbänden. Insgesamt wurden 402 Blatt aus 36 Aktenbänden zu 26 Fundorten transkribiert, redaktionell bearbeitet und verschlagwortet. Von der Transkription ausgenommen wurden acht Fundorte bzw. Aktenbände, die insgesamt lediglich 13 Blätter enthalten. Diese weisen einen sehr geringen handschriftlichen Anteil auf, der zudem gut lesbar ist.
Besonders umfangreich ist die Dokumentation zum Gräberfeld von Oberhof (heute Aukštkiemiai). Sie füllt elf Aktenbände. Der Fundplatz wurde von 1886 bis 1888 von Otto Tischler und 1894 von Alfred Jentzsch, Heinrich Kemke und Carl Kretschmann ausgegraben. Sie untersuchten 452 Gräber, die aus dem 3. bis 11. Jahrhundert n. Chr. stammen. Den größten Teil des erhaltenen Materials macht der handschriftliche Grabungsbericht Tischlers aus, der – zusammen mit einer getippten Abschrift aus dem Jahr 1943 – die ersten sieben Aktenbände umfasst. Andere wichtige Quellen sind u.a. Listen zu den gefundenen Münzen, Verzeichnisse zur Lage der Gräber, Fragmente von Planzeichnungen und Korrespondenz (vgl. Christine Reich, Das Gräberfeld von Oberhof (Aukštkiemiai) – Bemerkungen zur Chronologie und horizontalstratigraphischen Gliederung. In: Archäologisches Nachrichtenblatt 13, 2008, S. 22-30).
Eine weitere wichtige Quelle enthält der Aktenband zum Fundort Schernen: das 40 Blätter umfassende Grabungstagebuch von Adalbert Bezzenberger. Es beinhaltet Planums- und Befundzeichnungen und Beschreibungen des Gräberfeldes von Schernen, aber auch von diversen anderen Fundorten, wie z.B. Weszeiten oder Wilkieten. Bezzenberger hat die Seiten häufig sehr dicht, jeden Zentimeter ausnutzend und dabei auch gern die Ausrichtung der Seite ändernd, beschrieben. Des Öfteren finden sich inmitten von Beschreibungen und Zeichnungen auch litauische Vokabeln und Wendungen – Notizen, die sich Bezzenberger für seine sprachwissenschaftlichen Forschungen machte. Das Tagebuch bildet die Basis für die Rekonstruktion der Beigaben in den einzelnen Gräbern von Schernen, wie sie von Rasa Banytė-Rowell (Dar kartą apie Šernų kapinyną A. Bezzenbergerio publikacijos ir užrašų duomenimis. In: Lietuvos archeologija, 32, 2007, S. 9-30) vorgenommen wurden.
Die Aktenbände zu den übrigen Fundorten umfassen häufig nur wenige Blätter. Relativ oft treten sogenannte „Kompendien“ auf. Hier sind auf einem Blatt mehrere handgeschriebene Exzerpte aus der Literatur oder aus Briefen aufgeklebt. Daneben gibt es Blätter mit Zeichnungen und Notizen zu Burg- und Schlossbergen (z.B. Ekitten) sowie Fundnotizen zu Siedlungsresten. Auch zu weiteren Gräberfeldern (wie z.B. Ramutten) sind Fragmente von Berichten oder Tagebüchern erhalten.